Mit Filmadaptionen ist das so eine Sache. Oftmals werden Romane erst dann als Filmmaterial in Augenschein genommen, wenn sie auch vorher auf Bestsellerlisten erschienen sind, und genug Fans den Erfolg der Adaption nahezu garantieren können. Also das typische „auf-Nummer-sicher-gehen“ in Hollywood. Jedoch muss man hierbei erwähnen, dass diese Praxis schon immer existiert hat und seit Beginn des Langfilms immer auf Material aus der Literatur (Fiktionale Romane oder Autobiografien) zurückgegriffen wurde. Nichtsdestotrotz ist es für manche Leser sicherlich ein Argument, eine Adaption nicht anzuschauen, da diese sonst ihre Vorstellungen vom gelesenen Stoff möglicherweise umstürzen und verändern würde.
Romanvorlage verkaufte sich fast 3 Millionen Mal
Der Film „Gone Girl“ ist die Adaption des gleichnamigen Romans von Gillian Flynn aus dem Jahre 2012. Es war ihr bis dato erfolgreichster Roman, welcher auch einige Preise (u.a. 2x -Best Book of the Year-) verzeichnen konnte. Da ich das Buch nicht gelesen habe, werde ich keinen Vergleich anstellen, sondern nur den Film als solchen bewerten. Was mir über Erzählungen zugetragen wurde, ist, dass der Film sehr nah an der Romanvorlage sein soll. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass Flynn eng mit Fincher zusammengearbeitet hat, um eine gemeinsame filmische Vision vom literarischen Stoff zu kreieren.
Gone Girl lässt sich, genau wie seine Vorlage nicht in ein bestimmtes Genre einordnen. Genres haben sowieso das Problem, dass man immer eine subjektive Vorstellung davon hat, welche Kriterien Mystery-Thriller, Kriminalfilm oder Drama jeweils erfüllen. Oftmals sind die Grenzen so fließend, dass es ebenso schwer ist, überhaupt eine Abgrenzung zu machen. Bei Fincher’s Film, handelt es sich in meinen Augen um einen Thriller, welcher Suspense und Mystery-Elemente aufweist, aber hauptsächlich eine Art psychologisches Drama darstellt.
Die Dynamik einer langjährigen Beziehung
Nick (Benn Affleck) und Amy Dunne (Rosamund Pike) werden im Zuge der Krise der Printmedien von ihren jeweiligen Arbeitgebern entlassen. Als Nick’s Mutter im Sterben liegt, ziehen sie von New York nach Missouri, welches deutlich ländlicher ist und mit dem Leben in einer Großstadt nicht mehr viel zu tun hat. Amy akzeptiert anfänglich ihr Leben als kinderlose Hausfrau, während Nick es schafft, mit seiner Schwester Margo (Carrie Coon) eine eigene Bar auf die Beine zu stellen. Am fünften Hochzeitstag verschwindet Amy scheinbar spurlos. Die einzigen Spuren sind ein zerbrochener Glastisch im Wohnzimmer sowie einige wenige Blutspritzer in der Küche. Detective Rhona Boney (Kim Dickens) nimmt die Ermittlungen auf und stößt auf immer eigenartigere Gegebenheiten. Sie scheint auch, im Gegensatz zu ihrem Partner Jim Gilpin (Patrick Fugit), diejenige zu sein, welche keine Indizien sofort als Beweise ansieht oder zu schnelle Schlussfolgerungen aus scheinbar offensichtlichen Fakten zieht. Da Amy Dunne in der Vergangenheit ein Kinderstar war, interessieren sich die Medien mehr und mehr für den Fall. Als es schließlich nicht mehr vermeidbar ist, die Angelegenheit zu verschweigen, wird Nick durch sein mysteriöses Verhalten und seine fragilen Auftritte in der Öffentlichkeit zum Hauptverdächtigen des Falls.
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, möchte ich es bei dieser kurzen Inhaltsangabe belassen und auch jegliches Spoilern umgehen. Dieser Film lebt von den Wendungen und dem Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Dadurch bekommt er seine besondere Raffinesse und seine ganz spezielle Grundatmosphäre. Gepaart mit der klinischen Bildästhetik und der Hochglanz-Inszenierung, die Finchers Filme meist definieren (siehe –Zodiac-, –House of Cards-), hat man das Gefühl, dass hier kein besserer Regisseur hätte gefunden werden können. Die Musik von Trent Reznor und Atticus Ross passt hier wie der Deckel zum Topf. Die beiden schaffen eine beklemmende und beunruhigende Atmosphäre, welche sich aber immer dezent dem Visuellen anpasst. Klavier, Synthesizer und sehr untypische Perkussions-Elemente sorgen dafür, dass der Zuschauer von seinem Unbehagen nicht mehr loskommt.
Cast und Erzählform
Die Besetzung ist tadellos. Ben Affleck überzeugt auf ganzer Linie als geheimnisvoller, vermeintlich perfekter Ehemann. Rosamund Pike ist für mich die Überraschung des Films. Obwohl sie schon ein Bond-Girl war und diverse starke Rollen (Stolz & Vorurteil, Barney’s Version) spielen durfte, ist das mit Abstand die beste Performance ihrer Karriere. Sie spielt Amy Dunne mit einer Unberechenbarkeit und einem Ausdruck, der hier genau richtig dosiert wird. Alle weiteren Nebendarsteller überzeugen ebenfalls, wobei noch Kim Dickens als smarte Kriminalbeamtin hervorsticht. Emily Ratajkowskis Modelqualitäten und ihre Bereitschaft zur Nacktheit beschert ihr ihren ersten größeren Filmjob, für welchen sie natürlich der perfekte Cast ist.
Gillian Flynn verriet einmal, dass das Hauptmotiv die Erforschung der Psychologie und Dynamik einer langjährigen Beziehung für die Geschichte gewesen sei. Dem Film ist genau diese Psychologie anzumerken, obwohl im allgemeinen nicht sehr viel erzählt wird. Die Beziehung zwischen Nick und Amy wird hier nicht bis auf den Grund beleuchtet, so wie man es vermuten könnte. Hierin sehen wohl die meisten die Schwächen des Films. Jedoch wird angedeutet, was in einer Ehe schief laufen kann und wie sich die Personen zum Schlechten hin verändern können. Und eben genau diese Andeutungen reichen aus, um dem Film die nötige Tiefe zu geben. Sie vermischen sich mit der Interpretation und Vorstellung des Zuschauers und schließt so die lückenhafte Information, welche der Film hinterlässt.
Die Erzählform des Films ist sehr interessant gewählt und stimmt mit dem Stil im Buch wohl weitestgehend überein. Amy erzählt aus der Ich-Perspektive in Form von Tagebucheinträgen im Imperfekt. Die zweite Erzählform geschieht im Präsens und zeigt Nicks Verhalten und vor allem seine Sichtweise auf die Dinge. Dadurch, dass der Zuschauer hier zwei subjektive Präsentationen der selben Geschichte aufgetischt bekommt, ist er durchgehend hin- und hergerissen. Wem kann man Glauben schenken, wem muss man distanziert gegenüber stehen? Sicherlich entscheidet das jeder für sich während sich die Handlung entwickelt, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass beide Hauptcharaktere letztlich unverlässliche Erzähler sind. Sie sind nicht unbedingt psychisch stabil, wie ihr Privatleben und ihre Schicksalsschläge offenbaren. So weiß der Zuschauer bis zum Ende nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Was besonders hervorsticht, ist, dass man meiner Meinung nach, nachdem man den Film angeschaut hat (anders als Flynn selber sagte), eben doch über ihn und seine Protagonisten und deren Beweggründe diskutieren kann.
FAZIT
Der neue Film von David Fincher ist ein visuell sehr ansprechender, auf Hochglanz polierter Thriller, welcher gerade durch die psychologische Tiefe seiner Hauptcharaktere zu überzeugen vermag. Gerade die teils langsame Erzählweise hält den Zuschauer auf Trab. Die Wendungen führen einen auf falsche Fährten und sind vielleicht untypisch, aber gerade das macht sie so reiz- und effektvoll. Die wenigen harten Szenen im Film hätten in meinen Augen ein FSK-18-Rating verdient, was aber der Bewertung natürlich keinen Abbruch tut. Von mir ein A-!
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